Stichworte zur Orgontik

 

 

 

Wenden wir uns nun der Frage zu: Was ist das eigentlich, seinsorientierte Transformation?

 

Wir leben wir in einer Kultur, die auffallend gehirndominiert und herzverleugnend funktioniert. Beides charakterisiert die Normalität, die Norm, die Orientierung, an die sich die Menschen von klein auf angepasst haben. Gleichzeitig wachsen ihre innere Leere, die Selbst-Entfremdung, Leid und Verlorenheit. Was der moderne Mensch häufig mehr oder weniger verloren hat, ist nicht mehr und nicht weniger als der Zugang zu seinem Wesenskern, seinem Herzen, dem Kern-Selbst in seinem personalen** und transpersonalen** Wesen.

 

Seinsorientierte Körpertherapie zielt darauf, die Beziehung zu diesem Wesenskern zu entwickeln, repräsentiert in der Stimme des Herzens, um sich damit selbst wieder vollständiger wahr zu nehmen. Dabei geht es nicht um eine "Entweder-Oder", also entweder Verstand oder Herz, sondern um die partnerschaftliche Beziehung zwischen beiden und den Frieden im "innerseelischen Bürgerkrieg". Der Schlüssel zur Wahrheit schläft in jedem Menschen.

Die Beziehungsangebote der Kultur, in der wir leben, sind überwiegend nach Außen und auf das Äußerliche ausgerichtet, in der seinsorientierten Köpertherapie lernen wir, wieder nach innen zu schauen und in Beziehung zur inneren Wahrheit und Wirklichkeit zu treten.

 

Herz und Halt

Die Instanz des Herzens ist der Erfahrung reinen Seins in uns am nächsten. Das Herz analysiert nicht, es trennt nicht, wie der Verstand es zu tun pflegt, das Herz sucht Verbindung und Bindung.

Das Herz funktioniert auch nicht nach der üblichen Linearität von Zeit und Raum. Die Wahrheit des Herzens, die 30 Jahre zurück liegt, ist noch genauso präsent und wahr, wie diejenige vor wenigen Sekunden.

Das Herz ist die Instanz in uns, die seine Wahrheit spricht, auch wenn diese dem Ego nicht immer angenehm ist. Um der Stimme meines Herzens zu lauschen, ihr (wieder) zu vertrauen, gibt es eine Voraussetzung: Ich muss mich sicher fühlen, geborgen, gehalten.

 

Wir alle tragen den Schmerz eines früher oder später gebrochenen Herzens. Ein Schmerz, an den wir nur ungern rühren. Charakter, Persönlichkeit, sind das nicht die individuell ausgeprägtem Stilmittel, das Wiederleben dieses Schmerzes im Herzen zu vermeiden? Wilhelm Reich, der Pionier der modernen Körpertherapien, sprach in diesem Zusammenhang vom Körper- und Charakterpanzer. Wenn die Liebe oder die Sehnsucht nach Liebe im Herzen berührt wird, so wird gleichermaßen dieser alte Schmerz berührt. Oft ist Macht des Schmerzes größer als die Kraft der Liebe und Verwirrung und Haltlosigkeit sind die Folge.

 

Die seinsorientierte Körpertherapie Orgontik interpretiert diesen Prozess von Panzerung als eine Funktion des Selbst(er)halts, den sich ein Organismus in frühen Entwicklungsphasen gibt, in denen realer, auch körperlicher Halt nur unzureichend gegeben war.

"Zurückhaltung" und "Haltlosigkeit" sind nur zwei Polaritäten im Spektrum der Erfahrungen, die auf unzureichende Halterfahrung zurückgehen. Die tiefe Sehnsucht nach Halterfahrung bleibt im Organismus ein Leben lang präsent und dient der Orgontik als Ausgangspunkt.

Deshalb sind die Erfahrungen realen körperlichen und systemischen Halts essentiell in der orgontischen Praxis. Sichere Halterfahrungen ermöglichen eine tiefe und erleichternde Entspannung in Körper und Seele, die einher geht mit ersten Wahrnehmungen von Selbstversöhnung und innerem Frieden.

 

Organismische Wahrheit

Seinsebene, Herz und Halt berühren die Frage der unmittelbaren Erfahrung und Bewusstheit im Hier und Jetzt. Wenn wir mit unserer Wahrnehmung im Körper sind statt uns im Gehirn mit seiner endlosen Gedankenmaschinerie in Vergangenheit oder Zukunft zu verlieren, dann ist mit solcher Präsenz die Voraussetzung einer wirklichen Selbstbeziehung gegeben. Dann nämlich leben wir in der Selbstbeziehung zur organismischen Wahrheit, zur Wahrheit des Herzens. Dann werden wir präsent.

 

Selbstidentitäten, die an vergangenen Erfahrungen und Phantasien, am grüblerischen Wühlen im Gestern oder Morgen kleben, lassen sich letztlich als Mechanismen der Vermeidung von Selbstbeziehung und als Beziehungsvermeidung zu anderen Menschen interpretieren.

 

Auch wenn die seinsorientierte Transformation sich, vor allem in den ersten Phasen, mit der Vergangenheit des Herzens befasst, so ist ihr - spiritueller - Weg schlussendlich die gelebte Beziehung und Präsenz des Herzens im Hier und Jetzt. Damit öffnet sie die Tore zu jenem inneren Reichtum, der verborgen in der Tiefe unseres Herzens schläft und eines Morgens zu vollem Leben erwacht.

 

 
Anmerkungen:

* Bei der Kardioenergetik handelt es sich um eine im wesentlichen auf den Erkenntnissen von Paul Pearsall beruhende grenzwissenschaftliche Theorie, welche auf Grundlage von Tiefeninterviews mit Fremdherzträgern und deren seelischen Erfahrungen entwickelt wurde.

 

** Das personale Wesen meint die individuellen Anteile der Persönlichkeit, das transpersonale alles, was über das individuelle hinausführt, also letztlich das spirituelle Wesen des Menschen.